«... ein Heimatschein fürs Ausland»
Dieser Ausbildungsaufenthalt im Grossherzogtum Baden dürfte der Grund für folgende Passage im Ettiswiler Gemeinderatsprotokoll vom 28. Januar 1861 sein: «Dem Friedrich Stirnimann von Anton & der Anna Ma. Kaufmann wurde ein Heimatschein fürs Ausland ausgestellt»[3].
«Dem Friedrich Stirnimann wurde ein Heimatschein fürs Ausland ausgestellt».
Leider ist das gesamte Archiv der Kunstschule Karlsruhe im Zweiten Weltkrieg vernichtet worden, so dass sich die Hoffnung, auf überlieferte Akten von Stirnimann zu stossen, nicht erfüllte.[4]
Immerhin lässt sich aber aufgrund von Immatrikulationslisten nachweisen, dass Stirnimann 1861–1863 sowie 1866–1867 an der Karlsruher Schule eingeschrieben war.[5] Hier studierte der junge Ettiswiler bei Ludwig des Coudres (1820–1878), Porträt- und Genremaler sowie ab 1855 Professor an der Kunstschule in Karlsruhe.[6]
«... keinen Kreuzer ausgehändigt»
Eine amüsante Episode aus dem Alltagsleben an der Badischen Kunstakademie ist aus Stirnimanns eigener Feder überliefert. In einem Brief vom 22. Januar 1901 erinnert sich der Ettiswiler:
«Es war in den sechziger Jahren als die Schweizer u. die Deutschen in der Malklasse auf der Kunstmühle zu Karlsruhe kein Geld mehr hatten. Dann wurde beschlossen: Das Tagesmodell wegzuschicken, dafür müsse jeder Schüler einer nach dem andern Modellsizen, am Samstag beim Inspektor sich den Modellohn auszahlen lassen und mit den andern redlich theilen. Unser Meister Stäbli war durch das Loos der erste, wurde von E. Pfiffer[7] so zimlich am besten gemalt und mir zugetheilt (d. berühmte H. Toma war auch dabei.) Wenn ich fertig erzählen soll, so hat am Samstag d. Hr. Inspektor g’schimpft u. gemeint: die Herren seien zum malen und nicht zum Modellmachen da, zudem [hat er] keinen Kreuzer ausgehändigt.»[8]
Hans Thoma: «... eine lustige Schweizergesellschaft»
Dieser kurze Briefausschnitt verdeutlicht, dass weder Stirnimann noch seine Mitstudenten in Karlsruhe finanziell auf Rosen gebettet waren. Unter Stirnimanns Kommilitonen befanden sich übrigens einige, die später ziemlich berühmte Kunstmaler wurden. Allen voran ist hier Hans Thoma (1839–1924) zu nennen, der «um die Jahrhundertwende nahezu als Inbegriff deutscher Art und Kunst angesehen»[9] wurde, wie ein Malereilexikon aus den 1960er-Jahren festhält.
Ein Brief von Hans Thoma an seine Mutter aus dem Jahr 1862 gibt einen Hinweis darauf, in welchem Netzwerk sich Stirnimann in Karlsruhe bewegt haben könnte:
«… ich verkehrte viel mit einer lustigen Schweizergesellschaft, die sich an der Kunstschule zusammengefunden hatte. Der gleiche Dialekt bewährte seine Bindekraft; so denke ich jetzt an Zemp[10], Pfyfer[11], Stirnimann, Bucher[12], Kaiser[13], die Köpfe mitmalten, an Studer[14], Balmer[15], Stäbli[16], es waren fröhliche Schweizer.»[17]
Dass Stirnimann mit Thoma eine «Seelenverwandtschaft» gehabt hatte und mit ihm «bis kurz vor seinem Tode noch in Korrespondenz stand»[18] wie es im ‹Luzerner Tagblatt› hiess, konnte allerdings nicht belegt werden: Recherchen im Teilnachlass von Hans Thoma in der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe sowie Auskünfte des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg und der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, die ebenfalls einen Teil des Nachlasses Thomas verwalten, ergaben, dass sich zumindest in diesen drei Institutionen keine Briefe von oder an Stirnimann eruieren lassen.[19]
Adolf Stäbli: «... eine ganze Nacht nur von Stirnemann geträumt»
Auch der ab 1869 in München tätige Winterthurer Landschaftsmaler und Zeichner Adolf Stäbli (1842–1901) war mit Stirnimann bekannt und erinnerte sich offenbar gerne an die in Karlsruhe verbrachte Zeit, wie eine Anspielung in einem Brief an Thoma vom 30. Dezember 1864 zeigt:
«Neulich habe ich eine ganze Nacht nur von Stirnemann geträumt, grüss ihn und die lieben Schweitzer alle»
«Ich habe nach Euch Allen recht Heimweh. Neulich habe ich eine ganze Nacht nur von Stirnemann geträumt, grüss ihn u. die lieben Schweitzer alle».[20] Zu beachten ist übrigens, dass Stäbli hier die etwas weniger geläufige Schreibweise des Familiennamens mit ‹e› – Stirnemann – benutzt.