Ausstellungen

Stirnimanns Teilnahme an Kunstausstellungen

Bis zu seinem Tod im Jahr 1901 waren an lokalen, regionalen und nationalen Ausstellungen regelmässig Bilder von Fritz Stirnimann ausgestellt. Er präsentierte seine Werke einerseits vor einheimischem Publikum in Luzern, etwa im Rahmen von Weihnachts- oder Jubiläumsausstellungen.[1] Anderseits war der Ettiswiler auch in den Turnus-Ausstellungen sowie den Nationalen Kunstausstellungen regelmässig vertreten.

Turnus-Ausstellungen des Schweizerischen Kunstvereins

Die Turnus-Ausstellungen des Schweizerischen Kunstvereins (SKV)[2] wurden seit 1840 als jährliche Wanderausstellungen durchgeführt. Sie wurden jeweils in diversen Städten gezeigt und boten den Künstlern eine breite Plattform vor einem grossen Publikum. Der Protagonist aus Gottfried Kellers (1819–1890)[3] Roman ‹Der grüne Heinrich› beschreibt anschaulich seinen Besuch einer Turnus-Ausstellung:

«Da gewahrte ich eines Tages, wie eine Menge der gebildeten Leute der Stadt in einem öffentlichen Gebäude aus und ein gingen. Ich erkundigte mich nach der Ursache und erfuhr, dass in dem Hause eine Kunstausstellung stattfinde, welche durch die Städte zirkuliere. Da ich sah, dass nur feingekleidete Leute hineingingen, lief ich nach Hause, putzte mich ebenfalls möglichst heraus, als ob es in die Kirche ginge, und wagte mich alsbald in die geheimnisvollen Räume […]. Der erste Eindruck war ganz traumhaft; grosse klare Landschaften tauchten von allen Seiten auf […]; Abendröten brannten, Kinderköpfe, liebliche Studien guckten dazwischen hervor und alles entschwand wieder vor neuen Gebilden […]. Es wurde mir kaum möglich, endlich vor einem Werke stillzustehen, und als dies geschah, vergass ich mich vor demselben und kam nicht mehr weg. Einige grosse Bilder der Genfer Schule […] waren die Zierden der Ausstellung; eine Menge Genrebildchen und Aquarelle reizten dazwischen als leichtes Plänklervolk, und ein paar Historien und Heiligenscheine wurden auch bewundert. […] Ich stak, solange es dauerte, den ganzen Tag in dem wonniglichen Saale, wo es fein und anständig herging, die Leute sich höflich begrüssten und vor den glänzenden Rahmen mit zierlichen Worten sich besprachen.»[4]

Die Turnus-Ausstellungen hatten jedoch nicht nur einen guten Ruf wie der Kunsthistoriker Franz Zelger betont. Die Wanderausstellungen standen nämlich «renommierten Künstlern ebenso wie Sonntagsmalern» offen, wodurch sie eine «Flut von mittelmässigen und dilettantischen Bildern» und eine Fülle von «unqualifizierten Jahrmarktsprodukten»[5] beherbergten.

Die Turnus-Ausstellungen standen «renommierten Künstlern ebenso wie Sonntagsmalern» offen.

Prof. em. Franz Zelger, Kunsthistoriker

Dies hatte zur Folge, dass der Turnus, der bis in die 1870er-Jahre jeweils das «künstlerische Hauptereignis des Jahres»[6] war, allmählich seine Bedeutung «als gütige Übersicht über das zeitgenössische Kunstschaffen in der Schweiz»[7] verlor. 

Die folgende Auflistung gibt einen Überblick über die von Stirnimann im Rahmen des Turnus ausgestellten Arbeiten. Sie basiert auf den Angaben der jeweiligen Ausstellungskataloge, die auf der Internetseite des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA) digitalisiert zur Verfügung stehen.[8] Auffallend ist, dass Stirnimann den Turnus in den 1870er- und 1890er-Jahren regelmässig beschickte, von 1879 bis 1888 – also während zehn Jahren – aber überhaupt nicht vertreten war:

  • 1870 Bern: Betendes Kind

  • 1873 Basel: Frühlingsmorgen

  • 1874 Aarau: Im Herbst

  • 1874 Luzern: Die Wahrsagerin │ Landschaft │ Im Herbste

  • 1875 Basel: Landschaft

  • 1878 Genève: Chasseur

  • 1889 Zürich: Ueberrascht

  • 1890 Basel: Studienkopf │ Ueberrascht (für die Verlosung gewählt) │Dämmerung

  • 1891 Basel: Dämmerung│Das kranke Genie

  • 1891 Basel II: Reussfähre

  • 1891 Lugano: Crepuscolo │ Il genio malato │La merenda

  • 1892 Basel: Das kranke Genie │ Milchausmessen im Canton Luzern

  • 1892 Lausanne: Un génie malade │ Mesurage du lait dans le canton de Lucerne

  • 1894 Aarau: Das Brod der Armen (für den Bund erworben)

  • 1898 Luzern: Schlummerlied │

  • 1901 Zürich: Schlummerlied │Ein Apfel │ Es will Abend werden (Selbstbildnis)

Preise der angebotenen Kunstwerke

In den Turnuskatalogen enthalten sind auch die Preise, zu denen die Künstlerinnen und Künstler ihre Werke angeboten haben. Basierend auf einer einfachen statistischen Auswertung der – zufällig ausgewählten – Ausstellungskataloge von Luzern (1874), Basel (1890 und 1892) sowie Zürich (1901)[9] wurde die Verteilung der Preise nach ihrer Häufigkeit exemplarisch ausgewertet. Erhoben wurden so die Preisangaben von insgesamt 826 Werken, davon zehn Arbeiten Stirnimanns. Die Angebote bewegen sich in einer grossen Preisspanne zwischen 40 und 15‘000 Franken, der Durchschnittspreis pro Bild liegt bei 939 Franken. Die folgende Grafik illustriert, dass über die Hälfte der Werke zu 500 Franken oder weniger angeboten wurde. Nur etwa ein Viertel der Arbeiten liegen im Intervall von 1‘000 und mehr Franken. Stirnimann ist in dieser Klasse mit immerhin drei Bildern vertreten, wie das Diagramm zeigt. Vier seiner Werke liegen bei 300 oder 400 Franken und situieren sich damit in den beiden Intervallen, welche mit knapp 17% resp. 14% die höchsten relativen Häufigkeiten aufweisen. Weitere drei Arbeiten bewegen sich im preislichen Mittelfeld zwischen 600 und 800 Franken.[10]

Können diese monetären Werte nun etwas über die Stellung Stirnimanns in der damaligen Schweizer Kunstwelt aussagen? Selbstverständlich sind die Daten zurückhaltend zu interpretieren. Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu bedenken, dass die Kunstschaffenden im 19. Jahrhundert in der Schweiz «weitgehend vom Markt, das heisst von Mäzenen und Sammlern, abhängig»[11] waren. Staatliche Subventionen hingegen, waren bis zum Bundesbeschluss zur Förderung der Kunst von 1887 kaum ein Thema.[12]

«Die in den Turnuskatalogen angegebenen Marktpreise sind auch ein ökonmisches Indiz dafür, dass Stirnimann als Maler vielerorts durchschnittlich blieb.»

Vor diesem Hintergrund sind die in den Turnuskatalogen festgehaltenen Marktpreise immerhin als ökonmisches Indiz dafür zu werten, dass Stirnimann als Maler vielerorts durchschnittlich blieb. Ein Künstler also, auf dessen Niveau es in der Kunstszene der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts viele Weitere gab. Bisweilen ragt Stirnimann auch etwas über das Mittelmass hinaus, nie aber – so lassen sich die Preisangaben bzw. die Nachfrage am Markt deuten – schafft es der Ettiswiler in die Topliga der arrivierten Maler.

 

Nationale Kunstausstellungen

Auch an Nationalen Kunstausstellungen, welche – gestützt auf den oben erwähnten Bundesbeschluss von 1887[13] – ab dem Jahr 1890 periodisch durchgeführt wurden, beteiligte sich Stirnimann.[14] Bei den Nationalen Kunstausstellungen sorgte eine neu geschaffene Kunstkommission für eine «strenge Jurierung der Eingänge»[15], doch auch hier kam das Niveau nicht über die «‹altbekannte Mittelmässigkeit›»[16] hinaus. Wie die folgende Tabelle zeigt, war Stirnimann mit Ausnahme von Paris, wo der Anlass im Rahmen der Weltausstellung stattfand, anfänglich immer an den Nationalen Kunstausstellungen vertreten.[17]

  • 1890 Bern: Überrascht │ Dämmerung │ Studienkopf

  • 1892 Bern: Das kranke Genie │ Milchausmessen im Kt. Luzern

  • 1894 Bern: Das Brot der Armen

  • 1896 Genève: Schlummerlied

  • 1898 Basel: Die Alten[18] │ Ein Apfel

  • 1900 Paris: –

  • 1901 Vevey: Stirnimanns ‹Audifax und Hadumoth› von der Jury nicht berücksichtigt

 

In seinem Todesjahr 1901 lehnte die Jury seine Bewerbung für die Ausstellung in Vevey (dt. Vivis) ab. Dazu ist dem Nachruf im ‹Vaterland› zu entnehmen: Stirnimanns «letztes Bild, sein eigentlicher Schwanengesang ist ‹Audifax und Hadumoth› […]. Dieses Bild, für die Ausstellung in Vivis bestimmt, wurde trotz aller guten Qualitäten, da Stirnimann nicht zur Klique zählte, refüsiert.»[19] Und das ‹Luzerner Tagblatt› doppelte nach, dass die Ablehnung erfolgt sei, «obschon eine Minderheit schlagend nachwies, dass dieses Bild mindestens so gute Eigenschaften aufzuweisen habe, als die Mehrzahl derjenigen von der Klique.»[20] Hintergrund dieser Zeilen waren Spannungen innerhalb der schweizerischen Künstlerschaft: Mit der ‹Clique› war eine Gruppe von Künstlern gemeint, «die sich unter der Flagge der ‹Moderne› aufspielt, und alle nicht zur Sippe gehörigen Kollegen zu unterdrücken sucht», wie einem durchaus nicht unparteiischen Artikel des ‹Bund› zu entnehmen ist.[21]

Referenzen


[1] Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien beispielhaft genannt: Jubiläumsausstellung der Kunstgesellschaft der Stadt Luzern 1889 mit ‹Surprise›, ‹Mönch›, ‹Torfstecher› und zwei Porträts. Vgl. Katalog der Jubiläums-Ausstellung der Kunstgesellschaft der Stadt Luzern, 1889. – Weihnachts-Ausstellung der Künstler Luzern 1897 mit Porträts von A. Steiger, Pfyffer-Balthasar und Amtsstatthalter Meyer. Vgl. Luzerner Tagblatt, 1. Januar 1898. – Weihnachtsausstellung der Luzerner Kunstgesellschaft 1898 mit Porträts von Jost Meyer-am Rhyn, Frau Näf-Dula. Vgl. Meyer-Sidler, Stirnimann (1985), S. 39. – Posthum: Weihnachtsausstellung der Luzerner Kunstgesellschaft 1901 mit über 61 Werken aus seinem Nachlass, vgl. Luzerner Tagblatt, 20. Dezember 1901.

[2] Für eine Übersicht zu allen veranstalteten Turnus-Ausstellungen vgl. Jaccard Paul-André, Turnus, Expositions nationales suisses des beaux-arts, SPSAS, SSFPSD, Expositions Nationales Suisses : listes des expositions et des catalogues, in: Revue suisse d'art et d'archéologie, 43/1986, S. 436–459, hier: S. 437–446.

[3] Gottfried Keller (1819 Zürich – 1890 Zürich), u.a. Schriftsteller («gehört […] zu den bedeutendsten deutschsprachigen Schweizer Autoren des 19. Jh.»); Politiker und von 1861–1876 erster Staatsschreiber des Kantons Zürich. Vgl. Amrein Ursula, Keller Gottfried, e-HLS.

[4] Keller Gottfried, Der grüne Heinrich, zweite Fassung, hrsg. von und mit einer Einleitung von Gustav Steiner, Zürich 1993, hier: II/5, S. 239–240. – Vgl. hierzu auch Zelger Franz, Künstlerfreuden – Künstlerleiden. Streiflichter auf die Situation der Schweizer Künstler im neunzehnten Jahrhundert, in: Von Anker bis Zünd. Die Kunst im jungen Bundesstaat 1848–1900, hrsg. von Christian Klemm, Zürich 1998, S. 321–331, hier: S. 324–325.

[5] Zelger, Künstlerfreuden (1998), S. 325.

[6] Gloor Lukas, Wege der Werke – Kunstvermittlung in der Schweiz 1840–1890, in: Von Anker bis Zünd. Die Kunst im jungen Bundesstaat 1848–1900, hrsg. von Christian Klemm, Zürich 1998, S. 333–343, hier: S. 337.

[7] Gloor, Kunstvermittlung (1998), S. 339.

[8] Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Pro Jahr wird nur ein Ausstellungsort aufgeführt, es sei denn, die gezeigten Werke Stirnimanns sind nicht identisch. Vgl. SIK-ISEA, Kataloge der Turnusausstellungen des Schweizerischen Kunstvereins 1842–1961 [Katalog Turnus SKV].

[9] Vgl. Katalog Turnus SKV.

[10] Vgl. zu den von Stirnimann verlangten Preisen auch dessen Brief an Ernst Stückelberg vom 20. November 1887: «Ich male Portrait, schön fein, meistens nach Photographien v. lb. Verstorbenen, Stük für Stük à 100 Fr». Brief Friedrich Stirnimann [Baden] an Ernst Stückelberg, 20. November 1887 (SIK-ISEA). Siehe hierzu auch den Abschnitt Baden: Kunstsibirien und Broterwerb.

[11] Zelger, Künstlerfreuden (1998), S. 328

[12] Vgl. Zelger, Künstlerfreuden (1998), S. 328; Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung zu dem Entwurfe eines Beschlusses betreffend die Förderung und Hebung der schweizerischen Kunst (vom 3. Juni 1887), in: Bundesblatt 1887 III, S. 515–544.

[13] Vgl. dazu die Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung zu dem Entwurfe eines Beschlusses betreffend die Förderung und Hebung der schweizerischen Kunst (vom 3. Juni 1887), in: Bundesblatt 1887 III, S. 515–544.

[14] Zu den nationalen Kunstausstellungen vgl. Bärtschmann Oskar, Kunstförderung: Organisation und Institution, in: Das Kunstschaffen der Schweiz 1848–2006, hrsg. vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, Zürich 2006, S. 149–155, hier: S. 151–153; Zelger, Künstlerfreuden (1998), S. 324–326.

[15] Gloor, Kunstvermittlung (1998), S. 340.

[16] Zelger, Künstlerfreuden (1998), S. 326.

[17] Vgl. Jaccard, Turnus (1986), S. 446–447; Katalog der ersten nationalen Kunst-Ausstellung der Schweiz. Veranstaltet durch den hohen Bundesrath im Kunstmuseum zu Bern, Bern 1890, S. 18; Katalog der zweiten nationalen Kunst-Ausstellung der Schweiz. Veranstaltet durch den hohen Bundesrath im Kunstmuseum zu Bern, Bern 1892, S. 22; Katalog der dritten nationalen Kunst-Ausstellung der Schweiz. Veranstaltet durch den hohen Bundesrath im Kunstmuseum zu Bern, Bern 1894, S. 18; Meyer-Sidler, Stirnimann (1985), S. 36; Katalog der fünften nationalen Kunst-Ausstellung der Schweiz. Veranstaltet durch den Schweizerischen Bundesrat in der Kunsthalle zu Basel, Basel 1898, S 25; Luzerner Tagblatt, 8. August 1901.

[18] Vgl. dazu auch den Abschnitt Kunstkritik, Josef Viktor Widmann (1898).

[19] Vaterland, 6. August 1901. – Vgl. auch Werkverzeichnis-ID G-1901-1.

[20] Luzerner Tagblatt, 8. August 1901.

[21] Der Bund, 28. August 1901. – Es sei das «systematische Bestreben» dieser ‹Clique›, «einen Teil der schweiz. Künstlerschaft auf ‹kunstvolle› Weise von den Ausstellungen fern zu halten, um die ‹moderne Kunst› vor ungünstigen Vergleichen zu schützen». Empört hielt der «aus Künstlerkreisen» stammende Autor fest: «Dreihundert Bilder wurden [in Vevey] refüsiert, dafür aber einem Jurymitglied zur Isolierung seiner Bilder eine ganze Wand zur Verfügung gestellt! Von sechs eidgenössischen Ankäufen fielen vier auf Mitglieder der Jury!» Der Bund, 28. August 1901. – Zum kulturellen Phänomen der Moderne und den dadurch verursachten Spannungen in der Schweizer Kunstszene vgl. Ruedin Pascal, 1880–1914. Kultureller Nationalismus und internationale Moderne. Die Malerei in der Schweiz zur Zeit Hodlers, in: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft (Hrsg.), Das Kunstschaffen in der Schweiz 1848–2006, Bern/Zürich 2006, S. 45–58, hier: S. 51–53.