Quellenlage & Rezeption

«Eine grosse Reihe höchst primitiver Bauernbildnisse»

Quellenlage und Rezeption

Die bisherigen Auseinandersetzungen mit dem Kunstmaler Stirnimann halten sich in überschaubaren Grenzen. Dies hat zum einen mit dem insgesamt bescheidenen Einfluss des Ettiswilers im künstlerischen Umfeld zu tun. Zum anderen ist die Quellenlage über weite Strecken dürftig: Namentlich ist kein Nachlass des Künstlers bekannt[1] und auch Stimmen von Zeitzeugen sind nur spärlich überliefert. Umso grösseres Gewicht erhalten daher die neu entdeckten Briefe Stirnimanns. Im Anschluss ein Überblick über die bisherigen, Stirnimann gewidmeten Arbeiten und Ausstellungen.

Eugen Meyer-Sidlers Stirnimann-Biografie (1985)

Gerade angesichts der dürftigen Quellenlage sind die zahlreichen Fakten, Hinweise und Anekdoten, die der Willisauer Lokalhistoriker Eugen Meyer-Sidler (1910-2000)[2] in seinem Aufsatz zu Friedrich Stirnimann[3] zusammengetragen hat, besonders wertvoll. Der Befund, dass Stirnimann «selbst in seiner engern Heimat heute leider schon fast vergessen» sei, motivierte Meyer-Sidlers Vorhaben, die Biografie über einen «der bedeutendsten Söhne» der Gemeinde Ettiswil zu verfassen.[4]

Stirnimann ist «selbst in seiner engern Heimat heute leider schon fast vergessen».

Eugen Meyer-Sidler, 1985

Meyer-Sidlers Text beinhaltet Angaben zur Familie des Malers, beleuchtet einzelne Stationen seines Lebenslaufs, kommentiert diverse Gemälde und gibt zeitgenössischen Einschätzungen zu dessen Schaffen Raum. Ergänzt wird seine Arbeit durch ein umfangreiches Werkverzeichnis. Diese im Jahr 1985 in der ‹Heimatkunde des Wiggertals› erschienene Biografie Stirnimanns bildete für weitergehende Recherchen einen willkommenen Ausgangspunkt.

► Die ‹Heimatkunde des Wiggertals› wird jährlich von der Heimatvereinigung Wiggertal (HvW) herausgegen. Diese beschäftigt sich u.a. mit geschichtlichen, kulturellen und naturkundlichen Themen in der Region Amt Willisau, unteres Rottal sowie aargauisches Wiggertal. Die Stirnimann-Biografie von Meyer-Sidler ist online publiziert auf dem Portal E-Periodica der ETH Zürich.

 

Ausstellung im Schloss Wyher Ettiswil (1987)

Im Jahr 1987 fand in der Heimatgemeinde des Kunstmalers eine grosse ‹Gemäldeausstellung Friedrich Stirnimann› statt – «ein repräsentativer Querschnitt durch das ganze Schaffen des Malers»[5].

Diese im Schloss Wyher in Ettiswil durchgeführte Werkschau wurde von einem engagierten Komitee unter der Führung von Alois Häfliger, dem damaligen Präsidenten der Heimatvereinigung Wiggertal, realisiert.[6] Über 100 Exponate – Genrebilder, Porträts, Landschaften und Kirchenmalereien – dokumentierten das Schaffen des einheimischen Malers und sorgten für «erfreuliche Besucherzahlen»[7]. Daneben erschien eine Reihe von Zeitungsartikeln zur Ausstellung, welche an den als «Luzerner Anker»[8] bezeichneten Stirnimann erinnerte.[9]

Ausstellung im Kunstmuseum Luzern (1945)

Man muss bis ins Jahr 1945 zurückgehen, um auf eine weitere Etappe der Stirnimann-Rezeption zu stossen[10]: damals stiess der Künstler im Rahmen der in Luzern veranstalteten Ausstellung ‹Bachmann[11]–Fellmann[12]–Stirnimann. Drei volkstümliche Luzerner Maler› auf grössere Beachtung. Im Ausstellungskatalog[13] fokussierte die vom damaligen Konservator des Kunstmuseums Luzern Paul Hilber[14] verfasste Darstellung stärker auf kunsthistorische als auf biografische Aspekte.

Stirnimann ist eine «von den Nöten des Lebens und von den unzureichenden Erfahrungen der grossen Kunst gepeinigte stille Künstlernatur».

Paul Hilber, Konservator Kunstmuseum Luzern, 1945

Hilbers Urteil über Stirnimann fiel dabei insgesamt wenig positiv aus: Es handle sich bei diesem um eine «Künstlerpersönlichkeit, die im harten Lebenskampf ermüdet, bei bäuerisch dürftiger Anregung und zuletzt bei starker Beengung des Schaffens durch ein frühzeitiges Astmaleiden ihre volle Entfaltung schlummernder Kräfte nie recht gefunden»[15] habe. Das Werk Stirnimanns bestehe aus einer «grosse[n] Reihe höchst primitiver Bauernbildnisse»[16], die beredtes Zeugnis ablegten vom «tragisch-melancholische[n] Bild dieser von den Nöten des Lebens und von den unzureichenden Erfahrungen der grossen Kunst gepeinigten stillen Künstlernatur»[17].

Weihnachtsausstellung Luzern (1901) und Nachlass-Auktion (1902)

Nebst den beiden Ausstellungen von 1987 und 1945 ist auf die Weihnachtsausstellung von 1901 hinzuweisen. Diese von der Luzerner Kunstgesellschaft durchgeführte Veranstaltung präsentierte unter anderem den Nachlass ihres im Sommer verstorbenen Mitglieds Fritz Stirnimann.[18]

Die Luzerner Künstlerschaft übernahm 1902 auch die Aufgabe, «eine Sammlung von etwa 500 Skizzen aller Art» des «geschätzten u. verehrten» Künstler-Kollegen Stirnimann unter ihren Mitgliedern zu «verauktionieren», wobei ein Erlös von über 1‘100.– Franken erzielt wurde und nur wenige Sachen unverkauft blieben.[19]

Jochen Hesse und Alice Odermatt (2010): Publikation zum Kilbi-Zyklus

Damit ist der Kreis der Stirnimann-Rezeption schon fast abgesteckt. Zu ergänzen ist die Auflistung mit dem höchst interessanten und reich illustrierten Büchlein von Jochen Hesse und Alice Odermatt zu Stirnimanns ‹Kilbi-Zyklus›, welches 2010 in der Reihe ‹Innerschweizer Schatztruhen› erschienen ist.[20] Auf dieses jüngste Kapitel der Stirnimann-Rezeption wird unter ‹Der Kilbi-Bilderzyklus› näher eingegangen.

Zeitungsartikel und Lexika

Abgesehen von einzelnen Zeitungsartikeln[21] oder meist kleineren Einträgen in den gängigen Kunstlexika[22] lassen sich darüber hinaus keine weiteren Werkschauen oder Publikationen finden, die dem Ettiswiler Kunstmaler gewidmet sind.

Referenzen


[1] Schon 1945 bemerkte Hermann Kilchmann, welcher im Rahmen der Ausstellung ‹Bachmann–Fellmann–Stirnimann› vom Oktober / November 1945 mit Nachforschungen nach Stirnimann-Bildern betraut war, gegenüber Paul Hilber, Konservator des Kunstmuseums Luzern: «Was die biographischen Residuen anlangen, so glaube ich einige interessierende Sachen zusammenzubringen, wobei ich Sie allerdings bitten muss, keine unbescheidenen Erwartungen zu nähren. Es wird dies schon deshalb am Platze sein, als mir bis dahin keine nachgelassene Korrespondenz Stirnimanns bekannt geworden ist». Brief Hermann Kilchmann [Ettiswil] an Paul Hilber (Kunstmuseum Luzern), 3. Januar 1945 (Kunstmuseum Luzern).

[2] Zu Eugen Meyer-Sidler vgl. Häfliger Alois, Eugen Meyer-Sidler, Willisau, 1910 – 2000, in: Heimatkunde des Wiggertales 2000 (Band 58), S. 255–256.

[3] Vgl. Meyer-Sidler, Stirnimann (1985), S. 11–71.

[4] Meyer-Sidler, Stirnimann (1985), S. 11.

[5] Luzerner Volksblatt, 4. September 1987.

[6] Das Organisationskomitee setzte sich zusammen aus Dr. Alois Häfliger (Präsident), Robert Schäfer (Vizepräsident), Annaliese Hess-Hofstetter, Leo Steinmann, Paul Zanni, Franz Wüest, Josef Hermann, Fritz Steiner, Hans Marti, Kurt Notz, Dr. Heinz Horat, Josef Steiner, Eugen Meyer-Sidler. Vgl. Dossier Ausstellung Friedrich Stirnimann Schloss Wyher, Ettiswil 1987 (FA Steiner, Ettiswil).

[7] Lozärner Landazeiger, 2. Oktober 1987.

[8] Luzerner Volksblatt, 4. September 1987. Vgl. dazu etwa auch Luzerner Neuste Nachrichten, 16. September 1987; Willisauer Bote, 26. September 1987, 17. Oktober 1987; Lozärner Landazeiger, 2. Oktober 1987. – Albert Anker (1831 Ins – 1910 Ins), populärster Schweizer Genremaler des 19. Jahrhunderts, Mitglied des Berner Grossen Rats (1870­–1874), Mitglied der Eidg. Kunstkommission (1888–1892, 1895–1898), Mitglied der Eidg. Kommission der Gottfried-Keller-Stiftung (1891–1901). Vgl. Bhattacharya-Stettler Therese, Anker Albert, e-HLS; Bhattacharya-Stettler Therese, Anker Albert [2004, aktualisiert 2014], SIKART.

[9] Vgl. Dossier Ausstellung Friedrich Stirnimann Schloss Wyher, Ettiswil 1987 (FA Steiner, Ettiswil).

[10] Kunstmuseum Luzern (Hrsg.), H. Bachmann, A. Fellmann, F. Stirnimann, Jos. Zelger. Kunstmuseum Luzern, 7. Oktober – 25. November 1945, Luzern 1945 (Download).

[11] Hans Bachmann (1852 Winikon – 1917 Luzern), Maler und Illustrator (u.a. Gotthelf-Ausgabe F. Zahns). Genre, Interieurs, Landschaften und Bildnisse; Lehrer an den Kunstgewerbeschulen Luzern und Zürich. Vgl. Bhattacharya-Stettler Therese, Bachmann Hans [1998], SIKART.

[12] Aloys Fellmann (1855 Oberkirch – 1892 Düsseldorf), Maler. Genre- und Sittengemälde, Porträt und Karikatur. Zeichnung und Radierung. Vgl. SIKART.

[13] Vgl. Kunstmuseum Luzern, Katalog (1945) (Download).

[14] Paul Hilber (1890 Will SG – 1949 Luzern), u.a. Konservator des Kunstmuseums Luzern (1925–1949), Mitglied der Eidg. Kunstkommission (1935–1941). Vgl. Rogger André, Paul Hilber, e-HLS.

[15] Kunstmuseum Luzern, Katalog (1945), S. 3–4 (Download).

[16] Kunstmuseum Luzern, Katalog (1945), S. 4 (Download).

[17] Kunstmuseum Luzern, Katalog (1945), S. 4 (Download).

[18] Vgl. Luzerner Tagblatt, 20. Dezember 1901.

[19] Jahresbericht der Kunstgesellschaft Luzern der Jahre 1902–1904 (SALU).

[20] Hesse Jochen / Odermatt Alice, Der Bilderzyklus Kilbe Kirchweih im Kanton Luzern von Friedrich Stirnimann. Eine kunsthistorische Betrachtung mit einem Überblick über die Porträtierten, in: Schumacher Jost (Hrsg.), Innerschweizer Schatztruhe Nr. 10, 2010. – Vgl. auch Werkverzeichnis ID G-1891-1a bis G-1891-1k.

[21] Vgl. beispielhaft Friedrich Stirnimann, Kunstmaler aus Ettiswil 1841–1901, in: Der Hinterländer. Heimatkundliche Beilage des Willisauer Boten Nr. 5 (1984).

[22] Vgl. beispielhaft Hesse Jochen, Stirnimann, Friedrich, in: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, Bd. 106: Steenroet – Stundl, hrsg. von Beyer Andreas et al., Berlin/Boston 2020, S. 246f.; Schweizerischer Kunstverein (Hrsg.), Schweizerisches Künstler-Lexikon, Bd. 3, Frauenfeld, 1913, S. 260; Biografisches Lexikon der Schweizer Kunst, hrsg. vom Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft, Bd. 2, Zürich 1998, S. 1008; Thieme Ulrich / Becker Felix (Begründer), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler. Von der Antike bis zur Gegenwart, hrsg. von Hans Vollmer, Bd. 32, Leipzig 1938, S. 66.